Einsturz Augenzeugen

Bauarbeiter warnten Passanten

Um ein Haar nämlich wäre der Besuch des Kölner Stadtarchivs auch für Van den Bergh tödlich geworden. Die junge Frau aus Alfter bei Bonn hatte am Dienstag ihren Laptop in dem Gebäude in der Kölner Südstadt aufgebaut und wollte sich nur schnell unten auf der Severinstraße einen Kaffee besorgen. „Es war kurz vor 14 Uhr, ich stand draußen vor der Eingangstür des Archivs. Plötzlich kamen Bauarbeiter von der U-Bahn-Baustelle vor dem Haus und riefen: ‚Alle weg, alle raus‘.“

Stadtarchiv riss Nebengebäude mit
Die 25-jährige Studentin drehte sich um und wollte ihren Augen nicht trauen: „Als ich zu dem Gebäude hoch schaute, begann die gesamte Fassade zu bröckeln.“ Wenig später war das Archivgebäude komplett in sich zusammengebrochen, ein Wohnhaus rechts davon ebenfalls, das Wohnhaus zur Linken stand nur noch zur Hälfte.

KStA

Innenstadt – Es ist 13.55 Uhr, als sich die Tragödie mit einem unterirdischen Grollen ankündigt. Pizzabäcker Majid R. eilt aufgeregt aus seinem Geschäft in der Severinstraße, das direkt gegenüber des Stadtarchivs liegt. „Ich habe ein komisches Knirschen gehört“, sagt er. Als er Menschen an den Fenstern des Stadtarchivs sieht, habe er wild mit den Armen gerudert und gerufen »Kommen Sie raus«. Eine Studentin gönnt sich in diesem Moment einen Kaffee in einer benachbarten Bäckerei. Minuten zuvor hatte sie im Stadtarchiv noch alte Rats-Protokolle gewälzt. „Auch viele Bauarbeiter schrien plötzlich: »Alle weg hier«“, berichtet sie. Dann beginnen zwei Minuten, die vielen Archivbesuchern das Leben retten.

Etwa 15 Menschen sollen sich am frühen Dienstagnachmittag im Stadtarchiv aufgehalten haben. Als Bauarbeiter und Passanten zu schreien beginnen, bricht Hektik im Gebäude aus. Menschen laufen panisch auf die Straße. „Dann ist plötzlich die Fassade abgebröckelt und Fensterscheiben sind einfach rausgefallen“, schildert die Studentin. Auch einige Bauarbeiter der Nord-Süd-Stadtbahn stehen auf der Straße, sie haben gerade Mittagspause. „Auf einmal haben sich Risse gebildet. Etwa 30 Sekunden später ist das gesamte Gebäude eingestürzt“, sagt ein geschockter Arbeiter. Dann verschwindet das alte Stadtarchiv unter einer weißen Staubwolke.

Günther Heimann fährt in diesem Augenblick mit seinem Auto an der Häuserzeile entlang, er ist unterwegs zum Augenarzt. „Auf einmal vibriert der Boden, alles rüttelt, mein Navi fliegt von der Scheibe“, erzählt Heimann. Ein Ehepaar, das das Stadtarchiv soeben betreten wollte, berichtet kreidebleich, mehrere Menschen seien mit den einstürzenden Häusern in die Tiefe gerissen worden.

welt.de

In unmittelbarer Nähe des Historischen Stadtarchivs wird derzeit die unterirdische neue Kölner Nord-Süd-Bahn gebaut. Bauarbeiter befanden sich zum Zeitpunkt des Einsturzes nicht in dem Schacht. Nach Angaben der Stadt Köln wurde das Unglück offenbar durch einen Erdrutsch in einem 28 Meter tiefen Keller verursacht, der für die Stadtbahntrasse angelegt wurde.

In diesem „Gleiswechselbauwerk“ soll später eine Weiche montiert werden. Wodurch der Erdrutsch ausgelöst wurde, ist noch unbekannt. Der Projektleiter der Kölner Verkehrsbetriebe verwies darauf, dass im Zuge des Baus in dem Bereich beträchtliche Erdbewegungen stattgefunden hätten.

Die Unglücksstelle sollte mit 1000 Kubikmetern Beton stabilisiert werden. Die Arbeiten sollten die ganze Nacht über sowie auch am Mittwoch andauern, sagte Feuerwehrdirektor Stephan Neuhoff. Erst nach der statischen Stabilisierung der Unglücksstelle könnten die Bergungsarbeiten fortgesetzt werden. Es werde schätzungsweise 20 Stunden dauern, bis der Raum komplett verfüllt sei, hieß es. Erst dann sei ein gefahrloseres Betreten der Unglücksstelle möglich.

Laut Polizei stürzte das Gebäude des Historischen Stadtarchivs auf einer Fläche von 50 mal 70 Meter ein. Augenzeugen berichteten, dass das Gebäude wie bei einem Erdbeben in sich zusammengefallen sei. Die umliegenden Gebäude wurden aus Sicherheitsgründen geräumt.

Eine Augenzeugin sagte dem Nachrichtensender n-tv, sie sei von Bauarbeitern daran gehindert worden, an dem Gebäude vorbeizufahren. Plötzlich habe sich von unten nach oben ein Riss in der Fassade gebildet, diese sei dann abgeplatzt. Anschließend sei das Archiv „langsam eingestürzt, wie in einem schlechten Film“.
Nord-Süd-Stadtbahn

Die umstrittene Kölner Nord-Süd-Stadtbahn soll parallel zum Rhein verlaufen und den historischen Teil Kölns an das U-Bahn-Netz anbinden. Die Arbeiten begannen in den 80er-Jahren und sollen 2010 fertig gestellt sein.

Nach Angaben der Feuerwehr hatte sich der Einsturz des Stadtarchivs durch Geräusche im Gebäude angekündigt. Einige Menschen konnten sich daraufhin noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Kurz darauf brach das Gebäude in sich zusammen.

FAZ.net
Betonmischer in Bild 26

stern.de

Bauarbeiter warnten Archivmitarbeiter
Die Mitarbeiter und Nutzer des Archivs konnten sich nach vorläufigen Erkenntnissen retten, weil sich der Einsturz durch Geräusche ankündigte. Augenzeugen berichteten auch davon, dass Bauarbeiter gerufen hätten, man solle sich schleunigst in Sicherheit bringen. In die benachbarte Grube für den U-Bahn-Bau drang nach dem Einsturz Wasser ein. Der dadurch entstandene Schaden sei jedoch begrenzt, sagte ein Sprecher der Kölner Verkehrsbetriebe.

Bei Polizei und Feuerwehr wurde nach dem Einsturz Großalarm ausgelöst. Das Gebiet rund um den Unglücksort an der Severinstraße wurde weiträumig abgesperrt. Augenzeugen erzählten von einem dumpfen Krachen und einer riesigen Staubwolke. Die Kioskbesitzerin Paraskevi Oustampasiadi (42) sagte: „Die komplette Kreuzung war in dunklem Nebel. Das sieht hier aus wie am 11. September.“

Fotos von Thomas Nebel

Der Plapperstorch

Über den Verlauf des Unglücks bestehen bereits sehr genaue Vorstellungen. Vor den eingestürzten Häusern verläuft die im Bau befindliche gleiswechsel Nord-Süd-Stadtbahn. Im Bereich des Archivgebäudes wurden deren beide Röhren bereits 2007 von den Tunnelbohrmaschinen „Rosa“ und Tosca“ im Wege des Schildvortriebs hergestellt (KStA). Nach Fertigstellung der Röhren wurde um diese an der jetzigen Unfallstelle ein Kasten aus Schlitzwänden erstellt, in dem dann die Tunnelröhren wieder abgebrochen werden konnten, um einen so genannten Gleiswechsel herstellen zu können, der etwa 28 Meter unter der Straße liegt, zu der an dieser Stelle ein Vertikalschacht errichtet wurde. Der Gleiswechsel wurde in offener Baugrube hergestellt (pdf). Auf dem Bild oben, das ich auf der Stadtbahnseite gefunden habe, sieht man Bauarbeiten vor dem Archivgebäude, das am oberen Bildrand zu erkennen ist.

Über den Kasten aus Schlitzwänden ist in einem Vortrag auf der Internetseite des VDI (pdf) zu lesen, dass “eine wasserdichte Baugrubenumschließung aus Schlitzwänden erstellt (wird). Dazu werden Schlitze bis in tertiäre Bodenschichten hergestellt, mit Stahlarmierung versehen und mit Beton ausgegossen. Aus dem somit dichten Schlitzwandkasten kann das Grundwasser abgepumpt werden, ohne dass der Grundwasserhaushalt umliegender Bereiche beeinträchtigt wird.”

Vor dem Unglück waren Bauarbeiter damit beschäftigt im Bereich des Gleiswechsels mittels eines Baggers Erde auszuheben, damit im Anschluß der dort noch nicht vorhandene Boden des Tunnels mit Beton ausgeg0ssen werden kann. Ab jetzt werden die Augenzeugenberichte zum weiteren Verlauf des Geschehens schwammig.

Diese Bauarbeiter sollen Veränderungen im Bereich der östlichen Wand des Kastens bemerkt haben. Sie haben daraufhin Passanten und Bewohner der anliegenden Häuser gewarnt und zum Verlassen der Gebäude aufgefordert. Nur Sekunden nachdem die Menschen die Gebäude verlassen hatten, ist das Archiv eingestürzt.

Es wird vermutet, das diese Wand gebrochen ist und durch die Bruchstelle Erde unter dem Stadtarchiv in die Grube gerutscht ist, es dem Archiv quasi die Füße unter dem Boden weg gezogen hat (dazu die Grafik beim WDR). Augenzeugen berichten, dass der Gehweg vor dem Archivgebäude vor dessen Einsturz eingebrochen ist. Die unter dem Archiv weggesackte Erde hat einen Krater von fast 20 Metern Tiefe hinterlassen. Rund um das Kraterloch und in ihm liegen die Trümmer der eingestürzten Gebäude. Damit bei den Bergungsarbeiten die Trümmer nicht nachrutschen, wird der Einsturzbereich mit 1000 cbm Beton ausgegossen.

Die Baugrube im Bereich des Gleiswechsels soll mit Grundwasser voll gelaufen sein. Da die Röhren unterhalb des Grundwasserspiegels liegen, muss das Wasser von oben, vermutlich durch die Bruchstelle der Kastenwand, eingedrungen sein.

Sendung mit der Maus zeigt die Gleiswechselanlage mit dem Leiter der Baustelle Waidmarkt, Herrn Höllermann. Herr Glade und Herr Köhler sind anscheinend für die Pumpen zuständig. „Ganz braun sieht das Wasser aus, weil es ja direkt aus dem Boden kommt.“ sagt die Reporterin.

Der Plapperstorch über den hydraulichen Grundbruch

Der Vizepräsident der Ingenieurkammer NRW, Heinrich Bökamp, ist im WDR-Magazin Westpol der Meinung, der Einsturz hätte möglicherweise verhindert werden können, wenn die Risse im Stadtarchiv auf ihre Ursache hin überprüft worden wären: “Das grenzt an Schlamperei.” Die Risse hat man regelmässig kontrolliert und die davon betroffenen Gebäude für aufgrund der Risse nicht einsturzgefährdet befunden. Aber der Ursache für die Risse ist man nicht weiter nachgegangen. Risse in benachbarten Bauten kommen bei Bauvorhaben dieser Größenordnung nun einmal vor. “Labora et ora.”

Das Grundwasser-Problem hat man auch mit Hilfe einer Spezialfirma aus Süddeutschland nicht in den Griff bekommen. Also wurde gepumpt ohne Ende. Dass diese Pumperei Auswirkungen auf das Erdreich haben musste, hätte eigentlich den Verantwortlichen bewußt sein müssen. “Pumpe und bete.”

Heute reden alle vom hydraulischen Grundbruch, als sei das ein Jedermann geläufiger Begriff und vor allem ein nicht vorhersehbares und somit unbeherrschbares Phänomen, eine Naturgewalt. Dem ist aber nicht so. Zu dieser Einschätzung komme ich als Laie, nachdem ich mich durch die vielen Artikel gegoogelt habe, die man im Netz zu diesem Problem findet.

KStA mit Gutachterstimmen und Braunkohle

BGB § 909
Vertiefung (gefunden bei Plapperstorch, der vieles sehr gut erklärt)

Ein Grundstück darf nicht in der Weise vertieft werden, dass der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, dass für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist.

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